AWO: Wichernstift ist ein Opfer des Pflegenotstandes!

08.11.2010

Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Weser-Ems e. V. sieht niedrige Pflegesätze in Niedersachsen als Hauptursache für Insolvenzen von Altenhilfeeinrichtungen.

"Die zahlreichen Insolvenzen von Altenhilfeeinrichtungen in diesem Jahr sind eng mit den niedrigen Pflegesätzen in Niedersachsen verbunden", davon ist Dr. Harald Groth, Vorsitzender des AWO Bezirksverbandes Weser-Ems e.V., überzeugt. Es sei Fakt, dass in Niedersachsen die Refinanzierung insbesondere der Personalkosten - ohne erkennbaren Widerstand auch der Arbeitnehmervertreter in der Selbstverwaltung der Kassen - weit unter derjenigen anderer Bundesländer liege. „Wie viele Insolvenzen soll es denn noch geben? Die Ursachen sind doch eindeutig, die niedersächsische Landesregierung muss endlich agieren!“, fordert Dr. Groth nachdrücklich. Es könne nicht sein, dass Insolvenzen billigend in Kauf genommen werden und in der Folge die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Lohnverzicht den Verlust ihres Arbeitsplatzes verhindern müssen. „Die Menschen, die in der Pflege hart arbeiten, müssen auch anständig bezahlt und nicht gezwungen werden, darüber nachzudenken, ob sie noch einen Zweitjob annehmen, um über die Runden zu kommen“, formuliert der Bezirksvorsitzende verärgert.

Die von Politik und Pflegekassen in 2008 zugesagte Korrektur der Pflegeentgelte (Konvergenzverfahren) ist leider ausgeblieben bzw. wurde nur unzureichend umgesetzt. Der Anteil an privaten Einrichtungen, die ihr Personal häufig weit unter den Tariflöhnen oder Richtlinienverträgen der Träger der Freien Wohlfahrtspflege bezahlen, ist mit 60 % in diesem Bundesland besonders hoch: "Die Pflegekassen in Niedersachsen orientieren sich aber oft noch an "ortsüblichen", untertariflichen Bezahlungen und treiben damit, wie nun deutlich wird, diejenigen Einrichtungen in den Ruin, die aus sozial-ethischen Gründen an Tariflöhnen festhalten. Daran ändert auch der Mindestlohn nichts", so Dr. Groth.

Jetzt zeigt sich, dass der Gesetzgeber mit dem Bezug zur verfassungsrechtlich fragwürdigen "Ortsüblichkeit" zur Abkehr vom Tariflohn förmlich eingeladen hat. Viele Träger können sich nur mit Notlagentarifverträgen über Wasser halten, bei denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Gehaltsteile wie Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten oder sogar monatliche Kürzungen in Kauf nehmen müssen.

"Das Signal, was auch an junge Menschen gesendet wird, die sich für einen Beruf in der Altenpflege interessieren, ist verheerend. Anstatt diesem schweren, aber auch erfüllenden Tätigkeitsfeld Wertschätzung entgegen zu bringen, wird nur auf Kosten geschaut", kritisiert der Bezirksvorsitzende der AWO Weser-Ems. Schon jetzt bestehe Personalknappheit, weil Nachwuchskräfte fehlen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müsse dieser Dienst am Menschen in der Gesellschaft deutlich aufgewertet werden und damit auch eine angemessene Bezahlung verbunden sein.

Angesichts der aktuellen Entwicklung fordert die AWO Weser-Ems die niedersächsische Sozialministerin erneut auf, einen Runden Tisch einzurichten, an dem die Träger von Altenhilfeeinrichtungen, die Pflegekassen sowie die Kommunen vertreten sind, um die prekäre Situation zu analysieren und daraus ableitend Lösungen zu erarbeiten.

"Es wird höchste Zeit, dass in Niedersachsen endlich ein Umdenken einsetzt, damit Pflege nicht weiter den Kräften des Marktes ausgeliefert wird, frei nach dem Motto 'je billiger, desto besser'. Das ist nicht im Interesse der hilfebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen", so Dr. Groth.

Bei Fragen und für weitere Informationen:

AWO Bezirksverband Weser-Ems e. V.
Hanna Naber, Verbandsreferentin
Klingenbergstraße 73
26133 Oldenburg
Telefon: 04 41/48 01-2 54
Mobil: 01 73/2 04 96 20
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