AWO: Billiglöhne sind sozialstaatlich und volkswirtschaftlich schädlich!

29.07.2010
Gehälter und Renten müssen der Kaufkraftstärkung dienen/
Niedrige Einkünfte verursachen Altersarmut.

Eine weitere, nicht zu vernachlässigende, ökonomische Auswirkung von Billiglöhnen ist, dass die Binnennachfrage auf dem jetzigen und von vielen Wirtschaftsfachleuten beklagten niedrigen Niveau stagniert oder noch weiter absinkt. Hinzu kommt, dass die deutsche Volkswirtschaft aus Exporten erhebliche Erträge erzielt, die Gewinne daraus gehen aber nur in unzureichendem Maße in die Löhne ein. Somit können die Beschäftigten und damit indirekt auch die Rentner, deren Renten von den Lohnsummen abhängig sind, weniger Produkte aus den Ländern kaufen können, in die aus Deutschland exportiert wird. Dieses Ungleichgewicht schafft internationale Verwerfungen, wie auch die OECD schon anmahnte. Anders ausgedrückt: "Wir verkaufen und verdienen zwar an denen, die unsere Produkte kaufen, wir verteilen aber zu wenig aus den Gewinnen an die hiesigen potentiellen "Käufer", um einen gleichgewichtigen Güteraustausch zwischen den Volkswirtschaften sicherzustellen", erläutert der AWO Bezirksvorsitzende. Diese fehlende Balance schafft internationale Konflikte. Vor diesem Hintergrund fordert die AWO: Beendigung von Missbrauch der Leiharbeit, Verbot sittenwidriger Bezahlungen unter den gängigen Mindestlöhnen, Verhinderung von unternehmerischen Strategien zur Umgehung von Tariflöhnen.

Geringere Löhne wirken sich auf die Rentenhöhen aus. Hier gilt es rentenpolitische Entscheidungen dahingehend zu treffen, dass Menschen mit wenig Einkünften nicht automatisch nach Eintritt ins Rentenalter in Armut verfallen oder auf soziale Transferleistungen im Rahmen der Grundsicherung angewiesen sind und damit zu "Bittstellern" werden müssen", betont Dr. Groth. Die von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle angestoßene Debatte um die von der SPD initiierte Rentengarantie geht dabei in die falsche Richtung. Die Rentengarantie konnte ein Absenken der Altersbezüge in 2010 verhindern. Dieses wäre ansonsten die Folge der gesunkenen durchschnittlichen Lohnsumme, die unter anderem durch die Finanzkrise und Missbräuche am Arbeitsmarkt verursacht wurden, gewesen. Die Rentengarantie hat ihre Berechtigung für die Stärkung der Kaufkraft und als sozialpolitischen Ausgleich zum milliardenschweren Rettungsschirm für die Banken und muss vorerst helfen, die sittenwidrigen Bezahlungen von guter Arbeit auszugleichen.

"Dass in Deutschland mehr als 20 Prozent aller Beschäftigten für weniger als zehn Euro Stundenlohn arbeiten müssen, ist erschreckend und gleichzeitig eine Belastung für die zukünftigen Generationen, wenn auf Grund von zu geringen Arbeitsentgelten die Altersarmut zukünftig größer wird und von der nachfolgenden Generation subventioniert werden muss", kommentiert Dr. Harald Groth, Vorsitzender des AWO Bezirksverbandes Weser-Ems die jüngst veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Hinzu komme, dass im Vergleich zu anderen Staaten in Deutschland Geringverdiener besonders wenig Rentenansprüche erwirtschaften, weniger als ein Viertel des Durchschnittsverdienstes, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schon 2007 bekannt gab. So bekommt ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang in Vollzeit gearbeitet hat und einen Stundenlohn von 8,70 Euro erhält, lediglich eine Rente in Höhe der Grundsicherung, die derzeit 630 Euro beträgt. "Hier stellt sich die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, denn mit 630 Euro zum Leben kann das Rentnerdasein nicht als wohlverdienter Ruhestand nach einem harten Arbeitsleben bezeichnet werden", so Dr. Groth.
[Zurück zur Übersicht]