90 Jahre AWO - Multimediale Ausstellung in Oldenburg

10.05.2010
90 Jahre und kein bisschen leiser - Die Arbeiterwohlfahrt als sozialpolitischer Anwalt

Anlässlich ihres 90-jähriges Jubiläums im vergangenen Jahr konzipierte die Arbeiterwohlfahrt Bundesverband eine moderne multimediale Ausstellung über die Geschichte ihrer Organisation. Die AWO Weser-Ems zeigt diese Dokumentation vom 10. Mai bis 20. Mai im Foyer der GSG Oldenburg Bau- und Wohngesellschaft, Straßburger Straße 8 in Oldenburg. Präsentiert wird die sehr bewegte und bewegende Historie, geprägt von der wechselvollen deutschen Zeitgeschichte, die in der eindrucksvollen Ausstellung mit Bildern und Tönen sprichwörtlich wieder auflebt. Auch die AWO Weser-Ems wurde wenige Tage nach der Gründung auf Bundesebene im Dezember 1919 in Rüstringen gegründet. Was die Gründerin Marie Juchacz für den Bundesverband war und ist, verkörpert für die hiesige Region Elisabeth Frerichs, nach der auch das Verwaltungsgebäude des AWO Bezirksverbandes in Oldenburg benannt ist.

"Der Kaiser hat abgedankt. Das Volk hat auf ganzer Linie gesiegt!", ruft da im kratzigen Originalton der sozialdemokratische Abgeordnete Philipp Scheidemann im November 1918 die Republik aus. "Meine Herren und Damen!", beginnt Marie Juchacz im Februar 1919 die erste Rede einer Frau vor einem deutschen Parlament und ruft im Gefolge des frisch errungenen Frauenwahlrechts kurz darauf den "Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt" der SPD ins Leben. "Wer ist Gerda? Wo ist Gerda?", brüllte die Gestapo in zahllosen Vernehmungen auf der Hetzjagd nach einer Schlüsselfigur der sofort mit der Machtergreifung der Nazis verbotenen AWO, die sich als einziger Wohlfahrtsverband der Gleichschaltung widersetzte. "Gerda" war in Wahrheit Lotte Lemke, die der Gestapo entkam und nach dem Krieg als Hauptgeschäftsführerin der AWO den Wiederaufbau mit gestaltete.

Der Kampf für die Verankerung sozialer Rechte
Von Anfang an war die AWO kein rein karitativer Wohlfahrtsverband, sondern die organisierte "Hilfe zur Selbsthilfe" der Arbeiterschaft. Eben deshalb sammelte die AWO nicht primär Almosen für die Armen, sondern stritt für die Verankerung sozialer Rechte und die Verwirklichung ihrer gesellschaftspolitischen Leitideen: Gerechtigkeit und (Chancen) Gleichheit, Solidarität, Freiheit und Toleranz. Dafür zahlten viele der damals rund 350.000 AWO-Mitglieder unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft einen hohen Preis, sei es Verfolgung und berufliche Benachteiligung, Aufenthaltsverbot im Heimatort oder sie wurden in Polizeigewahrsam genommen und inhaftiert.

1947 waren schon wieder 300.000 AWO-Mitglieder und rund 50.000 ehrenamtliche Helfer in mehr als 5.000 Ortsauschüssen aktiv - sie alle zeigten eindrucksvoll, dass auch die faschistische Diktatur die Kraft, die in den Idealen und Werten der AWO liegt, nicht brechen konnte.

So erinnert die Ausstellung auch an Friederike "Frieda" Nadig, eine der vier "Mütter des Grundgesetzes", die gleich 1945 Geschäftsführerin der wiedergegründeten AWO im Bezirk Ostwestfalen war und im Parlamentarischen Rat so heftig wie erfolgreich dafür stritt, dass die Gleichberechtigung und das Sozialstaatsgebot in der Verfassung der Bundesrepublik verankert wurden.

In der "Bonner Republik" entwickelte sich die AWO zu einem der sechs führenden Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Sie war eine treibende und gestaltende Kraft des Wandels vom Prinzip der Kommunalisierung zum Prinzip der Subsidiarität. So hatte es das Bundesverfassungsgericht 1967 entschieden und Willy Brandt beschrieb es 1969 nachdrücklich: "In unserem demokratischen Staat, in unserer modernen Industriegesellschaft kann soziale Hilfestellung nicht mehr allein vom Staat erbracht werden. Bund, Länder und Gemeinden sind auf die Unterstützung der freien Wohlfahrtsverbände angewiesen. Die ehrenamtliche Arbeit, die in diesen Verbänden geleistet wird, ist ein Stück demokratischer Mitverantwortung." In all dieser Zeit blieb die AWO in der DDR verboten. Erst als die friedliche Revolution in der DDR die Mauern des Kalten Krieges einriss, konnte in den östlichen Bundesländern der mühsame Prozess des Wiederaufbaus einer in Vielfalt wiedervereinigten AWO beginnen.

Vorträge zum Thema Inklusion und Altersarmut begleiten die Ausstellung
Die soziale Kraft der AWO hat in den 90 langen, oft schweren Jahren zahlreiche Erfolge errungen - von der Verankerung des Sozialstaatsprinzips in unserer Verfassung über Verbesserungen der sozialen Sicherungssysteme, der Jugendhilfe, der Modernisierung des Familienrechts und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bis zur Einführung der Pflegeversicherung und dem aktuellen Kampf für einen menschenwürdigen Mindestlohn.

Auch mit der Entwicklung zu einem modernen sozialen Dienstleistungsverband fußt die AWO nach wie vor auf ihren gemeinnützigen Werten und dem Engagement ihrer Mitglieder - das sich auch in mehr als 100.000 ehrenamtlichen Helfern zeigt. Seit je her war und ist es eine große Herausforderung der AWO zu zeigen, dass haupt- und ehrenamtliche Arbeit, dass politische Arbeit und unternehmerisches Handeln gut unter einem gemeinsamen Dach vereinbar sind. 2007 hat die AWO hierzu weitreichende verbandspolitische Beschlüsse gefasst, die trotz Entflechtung der Haftung und Ausgründung von Betrieben die Einheit von Verband und Unternehmen proklamieren und beispielsweise als ein zentrales Ergebnis das AWO Qualitätsmanagement für alle sozialen Betriebe verpflichtend vorschreiben. Auf dieser Grundlage zeigt die AWO, dass sie Teil von sozialen Bewegungen mit gesellschaftspolitischen Zielen ist.

Die Geschichte der Arbeiterwohlfahrt ist ein Spiegelbild der Deutschen Geschichte - seit 90 Jahren haben herausragende Menschen und die gültigen Werte der AWO die Entwicklung Deutschlands zu einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat mit geprägt und gestaltet. Davon erzählt die Ausstellung "90 Jahre AWO" in beeindruckenden Bildern, Worten und Taten.

Die Ausstellung ist vom 10. Mai bis 20. Mai im Foyer der GSG Oldenburg Bau- und Wohngesellschaft, Straßburger Straße 8 in Oldenburg, jeweils zu den Öffnungszeiten Mo - Mi von 8 bis 16:30 Uhr, Do von 8 bis 17 Uhr und Fr von 8 bis 13 Uhr zu sehen.

Im Rahmen der Ausstellung finden zwei Vortragsveranstaltungen zu sozialpolitischen Themen statt:
Am 17. Mai, 19 Uhr in den Räumlichkeiten der GSG, Straßburger Straße 8, Oldenburg, spricht Prof. Dr. Andrea Erdèlyi von der Uni Oldenburg zum Thema Inklusion mit dem Fokus frühkindliche und schulische Bildung.

Am 20. Mai, ebenfalls 19 Uhr in den Räumen der GSG, referiert Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) über Altersarmut vor dem Hintergrund von Niedriglöhnen und unsteten Arbeitsbiografien. 

Allgemeine Informationen zur AWO Weser-Ems
Die AWO Gruppe Weser-Ems beschäftigt im gesamten Bereich des ehemaligen Regierungsbezirks Weser-Ems rd. 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 60 Einrichtungen der Kinder, Jugend- und Familienhilfe, der Altenhilfe und der Hilfe für Menschen mit seelischen Behinderungen.

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems e. V. mit seinen 14.000 Mitgliedern, 13 Kreisverbänden und 160 Ortsvereinen wird ehrenamtlich durch den Vorsitzenden Dr. Harald Groth und seine beiden Stellvertreter Dr. Lothar Knippert und Hermann Bontjer geführt. Das operative Geschäft des Vereins und der Gesellschaften leitet Verbandsgeschäftsführer Thomas Elsner zusammen mit den Geschäftsführern Torsten Brandes und Marco Mohrmann.

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Material

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