Konstruktiv gegen die Kopfpauschale!

11.03.2010
"Eine gerechte Finazierung heißt eben nicht: Alle zahlen das Gleiche. Sondern: Alle zahlen nach Leistungskraft ein".

AWO Prämissen zum Auftakt der Reform-Kommission von Sozialverbänden und DGB

"Gesundheitspolitik darf nicht nach Kassenlage gemacht werden mit ständig neuen Belastungen für die Versicherten und Patienten - statt Weiterwursteln und Verschlimmbessern fordern wir eine solide Finanzierung und sozial gerechte Gestaltung des Gesundheitssystems", sagte AWO Präsident Wilhelm Schmidt zum Auftakt der Reform-Kommission "Für ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft". Dazu trafen sich auf Initiative des DGB am Mittwoch in Berlin zahlreiche Sozialverbände, Gewerkschaften und Experten für Gesundheitsökonomie.
Das AWO Präsidium legt dazu Eckpunkte vor, die aus Sicht eines der größten sozialen Dienstleister der Bundesrepublik bei der künftigen Gestaltung der Gesundheitsversorgung beachtet werden müssen. Das AWO Grundsatzpapier betont:

- Gesundheit - Investition in die Zukunft
"Unabhängig von der Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung fordern wir, bereits heute die Private Krankenversicherung (PKV) in den Gesundheitsfonds einzubeziehen."
Die ergänzende finanzielle Ausstattung des Gesundheitsfonds aus Steuermitteln, insbesondere zur Stabilisierung der Beiträge halten wir für sinnvoll und erforderlich. "Kopfpauschalen, auch in Form kassenindividueller Zusatzbeiträge, lehnen wir ebenso ab wie Sonderbeiträge für Versicherte."

- Grundsätzlich können in unserer alternden Gesellschaft die Finanzierungsnöte der Sozialversicherungssysteme nur durch partitätische Beiträge aller Bürger gelöst werden. Die solidarische Bürgerversicherung muss endlich alle Einkommensarten einbeziehen und jeden Bürger entsprechend der individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit versichern.
Die Bedarfsdeckung ist nur mit der paritätischen Finanzierung der notwendigen Gesundheitsleistungen zu erreichen. Mit keiner anderen Reform wird es möglich sein, genügend finanzielle Mittel für die notwendigen Ausgaben einer guten Gesundheitsversorgung für alle Bürger zu erheben.

- Die soziale Gesundheitswirtschaft ist mit einem Umsatz von 260 Milliarden Euro eine der größten und mit 4,3 Millionen Beschäftigten die beschäftigungsstärkste Branche in Deutschland. Die Wachstumspotenziale sind enorm. Doch nur durch die solidarisch finanzierte Gesetzliche Krankenversicherung kann diese große Branche nachhaltig stabilisiert und entwicklungsfähig gehalten werden.
Notwendige Einsparungen im Arzneimittelbereich muss die Bundesregierung vorrangig von der Pharmaindustrie fordern. Auch eine Positivliste, etwa nach dem Beispiel skandinavischer Länder, ist ein Instrument, um die Versicherten vor überzogenen Arzneimittelkosten zu schützen.
Um echte und evidenzbasierte Innovationen allen Menschen zur Verfügung stellen zu können, fordern wir die Stärkung der Kosten-Nutzen-Analyse und die Bewahrung der Unabhängigkeit des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

- Konzepte gegen den drohenden Pflegekollaps sind nötig
Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008 wurden wichtige Grundlagen für die Zukunft guter Pflege gelegt. Die Reformen müssen fortgesetzt werden:
"Wir wollen die Bürgerversicherung auch für die Absicherung des Pflegerisikos einführen. Bei gleichen Versicherungs-, Leistungs- und Beitragsrechten von privat und gesetzlich Pflegeversicherten streben wir die Zusammenführung dieser Systeme in der Finanzierung an."
Die AWO unterstützt das vom Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs erarbeitete Konzept einer neuen Definition der Pflegebedürftigkeit. Wir fordern die zügige Umsetzung dieses Konzepts durch den Gesetzgeber, um die Hilfen der Pflegeversicherung genauer auf die individuellen Bedürfnisse auszurichten. Unter Beteiligung von Ländern und Kommunen müssen die „Hilfen vor Ort“ weiterentwickelt und besser vernetzt werden, damit pflegebedürftige Menschen möglichst lange in der eigenen Häuslichkeit bleiben können.
Auf dem Pflegemarkt herrscht ein massiver Wettbewerb unter den Anbietern ambulanter und stationärer Pflege, der die Löhne seit Jahren nach unten drückt. Für ein qualitativ hochwertiges Pflegeangebot ist es aus Sicht der AWO von zentraler Bedeutung, dass tariflich ausgehandelte Löhne in den Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden. Im Interesse der Pflegebedürftigen wie der rund 900 000 Beschäftigten in der Pflegebranche hat die AWO federführend den Mindestlohn in der Pflege auf den Weg gebracht.

- Wir fordern ein Patientenrechtegesetz, das die Qualitätssicherung und Patientensicherheit im Behandlungsprozess stärkt.
Die individuellen Pflichten und Rechte im Arzt-Patientenverhältnis, Haftungsfragen sowie die Rechte gegenüber den Leistungsträgern müssen geregelt werden.Eine unabhängige Patientenberatung muss flächendeckend etabliert werden.

- "Mehr Gesundheit für alle! Wir fordern ein Präventionsgesetz"
Eine zentrale Aufgabe des Sozialstaats ist der Ausgleich sozialer Unterschiede bei Gesundheitschancen und Lebenserwartung. Prävention spart Folgekosten und sichert mehr Lebensqualität - das gilt für die Gesundheitserziehung von Kindern ebenso wie für die Gesundheitsvorsorge im Alter. "Besondere Beachtung ist der Früherkennung und Behandlung von Demenz zu widmen. Konkrete Angebote sollen die eigenen Beteilungsmöglichkeiten an der Prävention fördern."
Eine Gesellschaft, die die "Rente mit 67" diskutiert, muss gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen auch in den Dialog der Tarifparteien einbeziehen.

"Die AWO will mehr Solidarität und eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung für alle, statt Individualisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen", betont das Grundsatzpapier. Denn gleiche Gesundheitschancen und die solidarische Absicherung der allgemeinen Lebensrisiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit für alle Menschen sind wesentliche Voraussetzungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft."Sie tragen zu einem würdigen Leben, zu einer guten Lebensqualität, zu gesellschaftlichem Wohlstand und damit zum gesellschaftlichen Frieden bei."

Die Eckpunkte der AWO zur Gesundheitspolitik, können Sie hier einsehen!
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