Sitzenbleiben für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern häufig Einstieg zum Abstieg!

20.02.2013
AWO Weser-Ems bestärkt Planungen der neuen Landesregierung!

„Sitzenbleiben ist für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern häufig der Einstieg zum Abstieg“, resümiert Dr. Harald Groth aktuelle Untersuchungen, die derzeit bundesweit kursieren. Gleichzeitig weist beispielsweise der renommierte Bildungsökonom Klaus Klemm nach, dass sich die Leistungen von Sitzenbleibern durch das Wiederholen einer Klassenstufe gar nicht verbessern. Ingmar Hosenfeld, Professor für pädagogisch-psychologische Bildungsforschung an der Universität Koblenz-Landau bestätigt dieses in einem Interview von Spiegel Online: „Es gibt kaum ein wissenschaftliches Indiz dafür, dass das Wiederholen den Schülern etwas bringt“. Trotzdem müssen für die rund 250.000 Wiederholer fast eine Milliarde Euro aufgewendet werden. „Wenn man dieses Geld in die individuelle Förderung der Kinder investiert, wäre es wesentlich effektiver“, kommentiert Dr. Harald Groth diese Untersuchung. Bedenklich ist, so Dr. Groth, dass insbesondere für Kinder aus ärmeren Schichten, das Sitzenbleiben häufig der Einstieg zum Abstieg aus der Schullaufbahn ist. Damit ist dann auch der Weg in eine gute Berufsausbildung abgeschnitten und der Lebensunterhalt muss über Transferleistungen gewährleistet werden.

Ulrike Meyer-Timpe, Autorin der Wochenzeitung Die Zeit, kritisiert in ihrem Buch „Unsere armen Kinder – Wie Deutschland seine Zukunft verspielt“, dass das deutsche Schulsystem eher darauf ausgerichtet ist, Kinder auszusortieren als insbesondere benachteiligten Kindern den Spaß am Lernen zu vermitteln. „Denn es knüpft nicht bei den Stärken der Schüler an, sondern bei deren Schwächen – mit dem Ziel, die weniger Erfolgreichen auszusortieren“, betonte die Autorin bei einem Vortrag auf Einladung der AWO Weser-Ems im August 2009. Während Kinder von gut situierten Eltern sich private Nachhilfe leisten können, werden ärmere Kinder mit ihren Schulproblemen alleine gelassen. Daraus folgt, so Dr. Groth, dass in Deutschland gerade diejenigen, die einer besonderen Förderung bedürfen eher auf das Abstellgleis geschoben werden.

Dass die Bildungschancen von Kindern aus sozial schwächeren Familienhintergründen in Deutschland deutlich geringer sind als bei Kindern aus gutsituierten Familien, ist hinreichend bekannt. Schon 2007 kritisierte der UN-Bildungsbericht das deutsche Bildungssystem als selektiv, diskriminierend und undemokratisch. Fazit: Bildungsgerechtigkeit wird in Deutschland mit Füßen getreten und das Sitzenbleiben ist ein Baustein in diesem System. „Umso mehr freut es uns, dass die neue niedersächsische Landesregierung nicht nur das Sitzenbleiben abschaffen möchte, sondern auch durch ein durchlässigeres Schulsystem die Bildungsgerechtigkeit verbessern wird“, betont Dr. Harald Groth. Deutschland könne es sich ökonomisch nicht mehr leisten, durch ein ungerechtes Bildungssystem junge Menschen auszusortieren, die dringend auf dem Arbeitsmarkt benötigt würden – vom ethischen Aspekt ganz abgesehen.

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