AWO Weser-Ems: Der Pflege geht die Puste aus!

10.05.2011
Arbeiterwohlfahrt fordert gemeinsames Handeln für eine gesicherte finanzielle Ausstattung der Pflege in Niedersachsen/Benachteiligung niedersächsischer Einrichtungen muss beendet werden.

Die AWO Weser-Ems sieht die Versorgung der niedersächsischen pflegebedürftigen Bürgerinnen und Bürger bedroht. Durch eine jahrelange Schlechterstellung der stationären Pflege im Vergleich zu anderen Bundesländern droht in Niedersachsen insbesondere den Altenpflegeeinrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, die einen hohen Qualitätsstandard haben und ihre Fachkräfte tariflich entlohnen entweder die Insolvenz oder die Pflicht, die Altenhilfe aus Mitgliedsbeiträgen oder sonstigen Eigenmitteln zu subventionieren. Beim Auftakt des Pflegedialogs "Der Pflege geht die Puste aus" in Rastede diskutierten auf Einladung der Arbeiterwohlfahrt Vertreter des Landtages und der Kostenträger über die Thematik. AWO Bezirksvorsitzender Dr. Harald Groth verdeutlichte in seinem Impulsreferat eindringlich die prekäre Situation.

Die AWO Weser-Ems hat bezüglich der niedersächsischen Pflegesatzproblematik ein externes Gutachten erstellen lassen. Die von der BeGeSo Unternehmensberatung Gesundheit und Soziales in Erfurt abgegebene Stellungnahme bestätigt die Schlechterstellung der niedersächsischen Pflege:

  • In Niedersachsen sind die Kostensätze für die stationäre Pflege im Vergleich zu anderen westlichen Bundesländern deutlich zu gering. Faktisch stehen den Pflegeheimen zu wenig an Pflegeerlösen für Personal und Sachkosten zur Verfügung.
  • Auf Grundlage der niedersächsischen Rahmenvereinbarung Pflege erfolgt die Entgeltberechnung und die Berechnung der Investitionskosten aus der Vorgabe einer 98%-igen Auslastung der Einrichtungen. Landesweit wird (mit sinkender Tendenz) nur eine durchschnittliche Auslastung von 87% erreicht. Liegt die Auslastung unter der Vorgabe 98%, entsteht bei den Fixkostenanteilen (überwiegend Personalkosten) eine zunehmende Deckungslücke zwischen den Betriebskosten und den Erlösen - je Prozent Minderauslastung 0,5% der Gesamtkosten.
  • Beim notwendigen Personalbedarf gibt es keine bundeseinheitlichen Standards, um den Pflegebedarf (abgeleitet aus den Pflegestufen) zu ermitteln. Bundesweit wird nur in Niedersachsen das marktradikalem Denken folgende BSG Urteil aus dem Jahr 2000 nachhaltig umgesetzt. Dieses Verfahren bringt tarifgebundene Träger mit einer hohen Anzahl an Fachkräften automatisch in eine wirtschaftliche Schieflage.
  • Das im Jahre 2008 revidierte Urteil des BSG stellt zwar den tatsächlichen Finanzierungsbedarf für tarifliche Löhne der Einrichtungen wieder in den Vordergrund, der entstandene Schaden für tarifgebundene Träger wurde aber bisher nicht ausgeglichen.

AWO Weser-Ems will ein Ende der Benachteiligung niedersächsischer Pflegeeinrichtungen erreichen.

In Niedersachsen wird trotz schlechtester Rahmenbedingungen nach wie vor gute Pflege geleistet. Das ist den hoch engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken. Der niedersächsische Missstand in der Pflege darf jedoch nicht weiter auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Die AWO Weser-Ems stellt sich dem Wettbewerb der besten Pflegeanbieter. Dieser Wettbewerb muss jedoch über die Qualität der Pflegekräfte und Ausstattung der Einrichtung erfolgen, nicht über Insolvenzforderungen und Gehaltskürzungen bis hin zum Lohndumping.

Daher fordert die AWO Weser-Ems:

  • eine Anhebung der Kostensätze für die stationäre Pflege am individuell festgestellten Pflegebedarf, der sich deutlich stärker an der Arbeit der Fachkraft orientiert. Der Leistungsbedarf muss sich wesentlich stärker an die Qualität der Fachkräfte und den Bedarfen der zu Pflegenden orientieren.
  • Die Anerkennung der tariflichen Entlohnung in der Altenpflege. Fehlentscheidungen und –kalkulationen dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.
  • Für die nächsten fünf Jahre ist neben den üblichen Pflegesatzanpassungen ein Konvergenzzuschlag für den jahrelang aufgebauten Schaden von mindestens 2,5% zu erreichen.
  • Die Auslastungsvorgaben haben sich mehr an der tatsächlichen oder der landesdurchschnittlichen Belegung zu orientieren. Dem folgend muss zunächst eine Absenkung auf 93,75% erfolgen.
  • die Abgrenzung der medizinischen Behandlungspflege von der klassischen Altenpflege, um Personalressourcen zu schaffen. Der Zeitaufwand für die Krankenpflege in der stationären Altenpflege erreicht einen kritischen Wert, der bisher kaum berücksichtigt wird.
  • Den behinderten Pflegebedürftigen ist neben der Alten- und Krankenpflege ihr Bedarf an Eingliederungshilfe zu gewährleisten, um mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, als dies mit der derzeitigen Personalsituation in niedersächsischen Einrichtungen möglich ist.


Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

AWO Bezirksverband Weser-Ems e. V.
Hannelore Hunter-Roßmann
(Verbands- und Unternehmenskommunikation)
Klingenbergstraße 73
26133 Oldenburg
Telefon: 04 41/48 01-1 93 oder 0170/8 35 60 47
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